MILENA MICHIKO FLAŠAR

Oben Erde, unten Himmel - Autorinnenlesung

03. Mai 2024
19.30 Uhr

„Alleinstehend mit Hamster“, so beschreibt sich Suzu selbst. Sie lebt in einer japanischen Großstadt. Unscheinbar. Durchscheinend fast. Der neue Job aber verändert alles. Suzu lernt schnell. Sie sieht Fassaden bröckeln und ihre eigene porös werden. Und obwohl ihr Goldhamster sich neuerdings vor ihr versteckt, ist sie mit einem Mal viel weniger allein. Ein unvergesslicher, hellwacher und beinahe heiterer Roman über die „letzten Dinge“.

Milena Michiko Flašar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Ihre Romane „Ich nannte ihn Krawatte” und „Herr Kato spielt Familie” wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin – Tochter einer japanischen Mutter und eines
österreichischen Vaters – lebt mit ihrer Familie in Wien.

Gemeinsam (statt) einsam oder die gelungene Herausforderung

Wie gut, dass Autorin Milena Michiko Flašar am 3. Mai 2024 nicht nur Conny Seiwald mit einer lebendigen Moderation der nächsten Stufe, sondern auch dem Publikum mit dem Sujet ihres Romans „Oben Erde, unten Himmel“, nämlich Leben und Sterben in universeller Vereinzelung, so einiges abverlangte. Denn dadurch (und dank ihrer überaus feinen persönlichen Art) belohnte sie Alle – einschließlich sich selbst, wie sie uns erfreulicherweise wissen ließ – mit einem unvergesslichen Abend in heimeliger Kulisse. Einmal darin eingetaucht erwies sich ihr in Japan angesiedeltes Buch als keineswegs so düster wie der darin thematisierte Tod in sozialer Isolation („Kodokushi“), die makabre neue Tätigkeit der bindungslosen Protagonistin Suzu als Leichenfundortreinigerin und anderes ihr zustoßendes Unbill wie Ghosting, Jobverlust und Onlinedating vermuten ließen. Stattdessen erzählt und las Flašar ohne plakative Gesellschaftskritik zu üben ebenso zart wie einfühlsam in atmosphärisch dichten Bildern von angeknacksten, liebenswerten Charakteren, die für witzige Dialoge und Komik, aber auch Empathie, Würde und Solidarität sorgen. Dass man hinterher beisammen sitzen und sich kulinarisch sowie im Zwiegespräch – auch mit der Autorin – Gutes tun konnte, anstatt sich rasch zu separieren, erwies sich als goldrichtig und wichtig: hier sprach eine Seniorin laut aus, wie schwierig die Thematik der „letzten Dinge“ für sie sei, und sie es dennoch ganz und gar nicht bereue, gemeinsam mit ihrem Gatten zugegen zu sein, dort traf die japanische die ungarische Melancholie – selbst wenn man sich zuvor vollkommen fremd war, hatte man sich viel zu sagen, fühlte sich als wertiger Teil einer große (Kultur.Werkstatt-)Familie und ging mit einem warmen Gefühl nach Haus.
I. S.-M.